Die Voice-Over-Industrie ist radikal im Wandel. Denn es gibt tausende Blogs, Beiträge, Podcasts, Filme, Vodcasts, Tweets und Buzzes, die eines schreien: die Medienindustrie ist im Wandel. Alles wird einfacher und beweglicher – und alles wird irgendwie digital. Die Sprecher-Branche macht da natürlich keine Ausnahme.

Vor gerade mal fünfzehn Jahren haben Tonstudios noch horrende Summen für Ihr Equipment ausgegeben. Auch die Organisation von Tonstudios, besser Werbestudios, war eine Andere. Es mussten Sprecherdatenbanken gepflegt werden, und ein Tonstudio konnte mit großen Budgets rechnen, wenn es sich nicht all zu dumm anstellte. Heute sieht die Sprecher-, Tonstudio- und Producer-Welt völlig anders aus: mittlerweile können kleinere Projekte am Küchentisch produziert werden. Ein Laptop, ein paar Boxen und Software – mehr braucht man dafür eigentlich nicht – obwohl Technik-Puristen das natürlich völlig anders sehen. Der Sprecher kommt ganz einfach per Mail oder Musictaxi, einer Art Telefon, das nur so klingt, als stünde der Sprecher direkt vor einem – also eine Art High-End-ISDN-Telefon. Sprecherkabinen, teure Mikrophone und Vorverstärker braucht ein Sprachproduzent nicht mehr zwingend – der Sprecher von heute dafür schon.

Große Tonstudios sind Vergangenheit

Für Tonstudios ein Segen und Fluch zugleich. Zum Einen können sie über einen riesigen Pool an Sprechern verfügen  ohne darauf angewiesen zu sein, dass eine gute Stimme zufällig in der Nähe wohnt. Zum anderen bilden diese Sprecher mit Tonstudio auch gleichzeitig eine Konkurrenz zu ihrem Auftraggeber. Kleinere Aufträge, die kein spezielles Produktionswissen erfordern, können von einem Sprecher nun direkt abgewickelt werden. Der Kunde kauft seine Gummibärchen also nicht mehr bei Edeka, sondern direkt bei Haribo. Das ist natürlich viel günstiger – und vielen Tonstudios ein Dorn im Auge. Aber sie trösten sich damit, dass eine große Vollproduktion immer noch einen Producer erfordert. Da ist Know-How gefragt. Und da haben Tonstudios recht. Aber: wieviele von diesen großen Vollproduktionen werden in Zukunft noch gebraucht?

Der Sprecher von Morgen

Das ist eine Kernfrage für Sprecher und Tonstudios gleichermaßen. Die Antwort: weniger große Produktionen, dafür mehr viele Kleine. Es gibt immer mehr Medienprodukte, die nicht auf Reichweite ausgelegt sind, sondern auf den Nutzen kleiner, spezieller Gruppen wie z.B Internetradios, Vodcasts, Apps, E-Learnings und viele Anwendungen mehr. Durch die digitale Versplitterung der Medienkanäle wird immer mehr in kleinen Budgets gedacht – da ist für teure Sprachproduktionen kein Platz. Die Folge ist, das auf Sprachaufnahmen entweder komplett verzichtet wird – oder – und hier sind wir bei den Errungenschaften der neuen digitalen Welt – der Kunde macht seinen Kram einfach komplett selbst. Das Equipment dafür bekommt er einfach und günstig. Nicht weil er glaubt, er könne das alles viel besser, nein,  weil er muss. Die meisten Tonstudios – weiter noch – ganze Agenturen sind nicht darauf ausgerichtet mit kleinen Budgets zu arbeiten. Sie sind noch zu groß, haben zu hohe Fixkosten und sind damit zu unflexibel.

Für die vielen kleinen Projekte des Webs sind Einzelkämpfer gefragt – keine großen Konglomerate. Was Sprachaufnahmen für die vielen Screen-, Vod-, und Podcasts betrifft, sehe ich hier für den Sprecher mit Tonstudio eine echte Chance. Und Casting-Plattformen für Sprecher sind hier ganz sicher nur der zarte Anfang. Da wird sich in nächster Zeit noch einiges entwickeln.

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Bild via Flickr von how_long_it_takes